Ich erinnere mich noch sehr gut. Stolz erfüllte mich, als ich mit der weißen Hose aus dem Laden ging. Eingepackt in einer Plastik-Tüte auf dem der Brand, für jede*n sichtbar aufgedruckt war. (Hey, das waren die 90er, da war fast alles in Plastik eingetütet). Endlich gehörte ich zu diesen coolen Leuten.
Und viel wichtiger, was würde wohl Andrea zu meiner Neuanschaffung sagen?
Andrea, die ihr Haaren in einer Zeitlupen Geschwindigkeit nach hinten werfen konnte. Andrea, deren Lachen einer aufgehenden Sonne glich.
Andrea, deren Schritte, wie der Gang einer geschmeidigen Großkatze waren.
Andreas Stimme, welche klang, wie eine wunderschönen Melodie, die niemals aufhören sollte.
Ich muss zugeben, ich kam (und komme vielleicht sogar heute noch) etwas ins Schwärmen. Und dann waren da diese Gedanken: 'Ich könnte Andrea doch einfach mal besuchen.'; 'Ich muss mir mal näher die Zeit-Gesetze durchlesen.'; 'Das alles zusammen sollte doch wirklich kein Problem darstellen.'
Ein Problem? Welches Problem? Gerade entstand es, ein echt großes Problem...
'Wer hat hier ein Problem?'
Romey sah sich fragend in der Klasse um, Sie hatte doch gerade was gehört! Ein paar Sekunden später war schon wieder eine Stimme zu hören: 'Ey, gut jetzt! Ich habe keine Zeit hier wen zu besuchen. Ich muss einen Test schreiben. Also Ruhe jetzt!'
Die Klasse musste bereits ein Kichern unterdrücken, nach dem der Lehrer von seinem Pult aufstand, langsam und sehr leise zu meinem Schülerpult schlich. Je näher er zu mir, die gerade unkonzentrierteste Schülerin, heran kam, zu mir, die nicht nur mit dem Mathematik-Test, sondern mit irgendwelchen Stimmen kämpfte, wechselte er durch verschiedenste Grimassen, was alle anderen sahen, nur ich nicht. Sein Gang war langsam und auch seine Gesichtsbewegungen waren, wie in Zeitlupe. Aber, Romey, ich, merkte(n) davon nichts. Im Stress war da diese Angewohnheit. Ich sprach mit mir selbst und hörte diese Stimme, die antwortet und gleichzeitig massiven Stress auslöste. 'Boah diese ganzen Textaufgaben ergeben doch echt keinen Sinn. Als wenn Zahlen nicht schon reichen würden, um mir mein Leben zu erschweren. Wer setzt den bitte eine Gleichung in eine Textaufgabe?'
Eine sehr baritone Stimme gab die Antwort: "Ich! Es war ganz allein meine Idee!“ Der Lehrer hatte sein Ziel erreicht, schob Romeys Test zur Seite und holte seine Gitarre hinter seinem Rücken hervor. Aus dem Text von: wird die Freiheit wohl grenzenlos sein wurde ein: dieser Mathematik-Test ist einfach sinnlos und gemein. Dazu baute er auch noch die Redewendung von Reden ist Silber und Schweigen ist Gold mit ein.
Am Ende seines Kunstwerkes setzte er Romeys Namen mit einem "X" gleich. Die ganze Klasse brach in schallendes Gelächter aus. Das führte dazu, dass wirklich alle ihren Test früher abgeben mussten. Und wer fühlte sich schuldig? Romey, ich ...
Die Pausenglocke setzte dem bizarren Szenario ein abruptes Ende. Die Schüler*innen stürmten aus dem Klassenzimmer und der Lehrer stand von meinem Pult auf, ohne ein weiteres Wort mit mir zu wechseln.
Mein Gedanke: 'Romey, Du bist geliefert!' Meine Augen füllten sich mit salzigem H2O.
Das Ergebnis, es wurde zum offenen Geheimnis: der Klassendurchschnitt befand sich nach diesem Debakel in den unteren Katakomben des Schulgebäudes. Romeys, mein Beliebtheitsgrad lag tief darunter. Da half auch die teure Hose nichts mehr.
... bald geht es weiter ...
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